Der Löwenbräulöwe II (2019)
Auch der Löwe oben, hoch oben auf dem Löwenbräuturm, auch er musste die Wiesn verlassen. Auch er hat jahrzehntelang die Maß angesetzt und hat getrunken, bei jeder seiner Drehungen, hoch oben über dem Fest. Und der Schwanz hat sich mitbewegt, wenn der die Maß abgesetzt hat und die Quaste an seinem Schwanz hat im Wind geweht, so als ob er, nach jeder Maß vor Freude mit dem Schwanz wedeln würde. Das war witzig und „der Hingucker“ jedes Jahr auf der Wiesn. Er sah zufrieden aus nach dem Trunk, den Durst gestillt, ganz bei sich und schaute in die Weite über das große Fest. Ein Löwe im Bierzeltdschungel, der sein Revier von hoher Position aus majestätisch überblickt. Altgedient und erfahren, gemütlich, etwas zerzaust und lebendig, so sah er aus.
Auch er wurde durch einen neuen, glänzenden Kunststofflöwen ersetzt. Der sitzt nun unbeweglich auf dem Turm und schaut unablässig in seine glänzende Maß. Den Schwanz hat er angezogen, den Blick gesenkt, fixiert auf den Krug, kein Blick in die Weite über das große Fest. Doch seine Löwengesichtszüge sind etwas deprimiert und schwer zu deuten. Er schaut gesenkten Hauptes in die Maß, ist die etwa schlecht eing’schenkt? Nur Schaum? Schmeckt das Bier nicht? Immer derselbe Trunk? Depressiv sieht er aus und unglücklich, in sich gekehrt und unzugänglich. Fröhlich sollte er sein, an höchster Position über der Wiesn thronend. Doch da sitzt er an höchster Position, schaut trüb in seine Maß und nimmt das ganze große, bunte Fest nicht wahr. Zuprosten möchte man ihm und laut rufen, schau doch wie schön das ist, wie aufregend und lustig, wie hier alle rauschhaft singen und lösgelöst feiern, mach doch mit … stoß mit an, lach doch mal …. doch er rührt sich nicht.