Geschichten

Der Löwenbräulöwe I (2019)

Der Löwenbräulöwe über dem Zelteingang is a nimmer des was er mal war. Früher da hat er sich noch bewegt und gebrüllt „Löööwenbräääu!!!“ – gewaltig und laut und markerschütternd war das! Das war wie ein Schlachtruf! Ein Aufruf,  dass es los geht, dass es zur Sache geht, biermäßig. Und dann hat er die Maß ang‘setzt und getrunken und das war löwenmäßig, riesig, enorm, fast schon fruchteinflößend. Erfurchterbietend war das und man hat darauf das riesige Zelt mit einer gewissen Demut betreten, den ekstatischen Tempel des Biergenusses. Oben über dem Eingang der riesige Löwe, darunter der kleine Mensch, der teilhaben will am festlichen Rausch. Ergreifend war das beim Eintreten ins Bierzelt und auch heimelig und erheiternd, das dunkel dröhnende „Löööwenbräääu!!“

Jetzt ist der Löwenbräulöwe über dem Bierzelteingang verstummt. Neu ist er und glatt, aus glänzendem Material, künstlich sieht er aus und schaut gelangweilt in seine Maß. Es ist kein Ton mehr zu hören, kein Brüllen, keine laute Einladung ins Zelt zu kommen. Es ist auch keine Bewegung mehr zu sehen, kein Heben der Maß, kein Zurücksinken des Kopfes beim Trinken. Keine Geräusche mehr, kein mechanisches Klack, welches früher zu hören war, wenn der Löwe den Krug ansetzte zum Trinken und ein weiteres Klack, wenn der riesige Löwenkopf und der Maßkrug nach dem Trinken in die Ausgangsposition zurückgerutscht sind. Stumm und unbeweglich schaut der neue glänzende Löwe seine glänzende Maß an. Ein bisschen charakterlos sieht er aus, unpersönlich.

Der bewegliche, der trinkende, der brüllende, der authentische, der wundersame Löwe ist weg – ausgedient nach 60 (!) Jahren. Runter von der Wiesn und raus aus München musste er und wurde ins Museum geschafft, nach Regensburg. Dort sitzt er nun stumm im Foyer.